Gegeneinander oder gemeinsam?

Natur- und Tierschützer versus Landwirte. Die Auseinandersetzungen im Netz sind erschreckend aggressiv und verletzend. Wer profitiert eigentlich von den Feindbildern?

Naturschützer, Tierschützer, Landwirte: Gesellschaftliche Gruppen, die mit unglaublicher Härte aufeinander treffen. Warum ist das so, muss das so sein und wer profitiert am Ende von dieser Situation?

Wer sich im Netz in Sachen Landwirtschaft bewegt, der traut manchmal seinen Augen nicht. Die Hemmschwelle, Wut und Aggressivität freien Lauf zu lassen, nimmt immer noch an Fahrt auf.  Oft reicht ein kleiner Funken und Naturschützer beschreiben ihre Wut auf die Giftspritzer, die nahezu täglich absichtlich ihr Leben und das der gesamten Tier- und Pflanzenwelt bedrohen.

Auf der anderen Seite sind Landwirte sehr schnell davon überzeugt, Medien, Politik und Umweltschützer seien allesamt Spinner, hätten von nichts eine Ahnung und würden am großen Plan zur Abschaffung der deutschen Landwirtschaft arbeiten.

Die Heftigkeit dieser Reaktionen zeigt mir, dass die jeweiligen Bedrohungen von beiden Seiten als sehr real empfunden werden und nicht als Übertreibungen abgetan werden dürfen! Sehr gr0ß sind wohl manchmal die Unterschiede in den Lebenswirklichkeiten und dessen, was in der Landwirtschaft als notwendig und  was als Vergehen an Natur und Tier empfunden wird. In der Milchviehhaltung stehen zum Beispiel oft Weidehaltung, muttergebundene Aufzucht des Kalbes und Drittlandexporte im Fokus.

Für den Außenstehenden ist es auf den ersten Blick oft nicht nachvollziehbar, warum sich die Bauern so schwer mit diesen Themen tun. Es gibt doch schon einige Betriebe, die es anders machen. Warum weigert sich der Rest dann so hartnäckig, es ihnen gleich zu tun?

Darauf kann es unterschiedliche Antworten geben. Eine Begründung trifft aber auf die allermeisten Betriebe zu: Eine Umstellung wäre unter den aktuellen Bedingungen am Milchmarkt und der Ausrichtung der Agrarpolitik nicht annähernd  auf den Höfen zu finanzieren!

Milchbauern haben immer wieder sehr viel Geld in die Hand genommen und ihre Betriebe nach neuesten Erkenntnissen und Empfehlungen weiter entwickelt.  Wenn diese Empfehlungen nun in kürzester Zeit nicht mehr gültig sind, dann kann der Hof als Existenzgrundlage einer Familie  auf dem Spiel stehen.  Kaum verwunderlich, dass in solchen Situationen die Diskussion nicht immer „entspannt“ verläuft.

Auf der anderen Seite ist eine Verharmlosung der Sorgen um den Verlust an Artenvielfalt, um den fortschreitenden Klimawandel und die Belastung von Luft und Gewässern alles andere als angebracht. Viel zu lange wurden diese Themen rein ökonomischen Kriterien untergeordnet und bedrohen nun die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen. Als Bewirtschafter riesiger Gebiete unseres Globus können wir Landwirte nicht ernsthaft glauben – und behaupten – wir hätten damit so gut wie nichts zu tun.

„Nutzer“ und „Schützer“ haben sich in Feindbildern und Frontenbildung eingerichtet. Angeheizt durch populistische Äußerungen von Politikern und Verbänden. Denn diese profitieren von dieser Situation. Im lauten Getöse des Schuldzuweisens fällt es kaum noch auf, dass die Verantwortlichen in unserer Regierung schon lange nicht mehr ihrer Verantwortung  nachkommen und sich nicht ehrlich für einen fairen Interessenausgleich der Gruppen einsetzen.

Landwirte können im Kampf gegen die böse Gesellschaft ihre eigentlichen Probleme und eigene notwendige Veränderungen für eine Zeitlang verdrängen. Verbraucher können mit voller Inbrunst die Moralkeule schwingen und darüber vergessen, dass sie oft genug selbst nicht so handeln, wie es ihre eigenen Vorstellungen erfordern.

Und wer profitiert?

Vom System Landwirtschaft lebt die Industrie der Zulieferer und der Verarbeiter. Der Anteil an der Wertschöpfung ist in diesen Teilen der Industrie schon lange Zeit und überall auf der Welt weitaus größer als in der Landwirtschaft selbst. Warum sollte hier ein Interesse an Veränderungen sein?  Der Einfluss dieser Industrie auf die Politik ist ungleich größer als der der Bauern und der Natur- und Tierschützer.

Anstatt sich gegenseitig zu schwächen und auf menschlicher Ebene immer mehr Verletzungen zuzufügen, könnten wir darüber nachdenken, ob wir nicht in einem Boot sitzen und gemeinsam faire Lösungen von der Politik einfordern wollen. Dabei gilt es am Ende nicht, Gräben zu unseren Handelspartnern zu schaffen!

Aber die Forderung nach einem fairen Anteil der Bauern an der Wertschöpfung, die darf und muss gestellt werden. Nur dann wird die Landwirtschaft in der Lage sein, die Ansprüche von Natur-, Klima- und Tierschutz umzusetzen und ihren sozialen Verpflichtungen nachzukommen.

Autor: Kirsten Wosnitza

Milchbäuerin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert