Wünsche – Wirklichkeit

Hat Milchviehhaltung noch Zukunft-und wenn ja – welche?

Wissenschaft und Beratung haben von Landwirten jahrzehntelang die Steigerung von Produktivität und Effizienz und eine Ausweitung der Produktion gefordert. Von der Politik wurde dieses System intensiv durch Rahmenbedingungen gefördert. Die Senkung der Produktionskosten war DIE wichtige Voraussetzung rentablen Wirtschaftens. Bauern haben dies umgesetzt und als Ergebnis hat eine starke Spezialisierung und Industrialisierung der Betriebe stattgefunden. Heute stehen wir durch genau diese Umsetzung in der gesellschaftlichen Kritik: Missachtung der physischen und emotionalen Ansprüche unserer Tiere und Schädigung von Natur und Umwelt.

Viele Milchviehhalter haben das Gefühl, die Schlinge um ihre Hälse würde sich immer weiter zu ziehen. Finanziell und emotional. Die einen suchen den Ausweg in dem Ruf nach Reduzierung von bestehenden und geplanten Auflagen,  durch die Produktion verteuert und damit internationale Wettbewerbsfähigkeit unmöglich gemacht wird.

Andere kapitulieren und schließen ihre Hoftore, weil sie nicht noch weiter „Eigenkapital verbrennen“ wollen und sie keine Aussicht auf Verbesserung der wirtschaftlichen Situation sehen.

Noch eine andere Gruppe belastet den Betrieb mit weiteren Investitionen und folgt dem bisherigen Weg der Steigerung von Effizienz, Produktivität und Produktionsausweitung. In der Hoffnung, endlich besser zu sein als der Nachbar und als die Kollegen weltweit. (Und in der Hoffnung, das Geldinstitut werde sie aufgrund des hohen Anteils Fremdkapitals auch in Zukunft nicht fallen lassen.)

Und dann gibt es die Gruppe derjenigen, die sowohl Mut als auch die finanziellen Voraussetzungen als auch den geeigneten Voraussetzungen haben, in eine Nische zu wandern und dort zu investieren: Selbstvermarktung, Bio, Ferien auf dem Bauernhof und anderes mehr.

Bis jetzt habe ich vor allem über die ökonomischen Belastungen der Betriebe und damit in den meisten Fällen der sie bewirtschaftenden Familien gesprochen. Was aber ist mit der seelischen Belastung – wie gehen die Menschen auf den Höfen mit der steigenden gesellschaftlichen Kritik um – wie blicken sie selbst auf ihre eigenes Handeln?

Wer traut sich überhaupt, kritisch auf das eigene Handeln zu schauen – in dem Wissen, finanziell nicht annähernd in der Lage zu sein, maßgebliche Dinge auf dem Betrieb ändern zu können? Denn seien wir mal ehrlich, eine Milchpreiskrise folgt der nächsten, kostendeckende Preise sind bei der nationalen, europäischen und weltweiten Lage für sehr viele Betriebe in absehbarer Zeit NICHT zu erreichen.

Was bedeutet das für uns Milchbauern, was bedeutet das ganz konkret für mich? Was bedeutet das angesichts eines steigenden Angebotes für Milchersatzprodukte und wachsender Kritik am hohen Fleischkonsum in den westlichen Ländern?

Ich sehe die Zukunft für die Milchbauern kritisch, wenn wir nicht sehr schnell etwas ändern. Mit all den Folgen, die ein weiteres Höfesterben für unsere ländlichen Regionen haben wird. Mit den Folgen für die Kreisläufe, in den wir Menschen leben könnten – Tiere können Grünland (welches nicht als Ackerland geeignet ist) in wertvolle Lebensmittel für uns Menschen wandeln. Der Verzicht auf „tierische“ Lebensmittel ist für mich daher keine Option.

Ich denke aber, Milchviehhaltung wird nur dann eine Zukunft haben, wenn

  • Milchkühe vor allem auf Grünland gehalten werden und hauptsächlich mit Gras gefüttert werden
  • vielen Tieren zumindest zeitweise Weidegang ermöglicht wird
  • sich der Kraftfuttereinsatz verringert und „natürliche“ Futterkomponenten eingesetzt werden
  • Kälber von ihren Müttern oder kombiniert mit Ammen großgezogen werden
  • Kälber nicht mehr enthornt werden
  • die Transportwege zur Schlachtung minimiert werden
  • sehr gute Bedingungen auf den Schlachthöfen herrschen
  • die Milchleistung der Kühe verringert und der Gesundheitsstatus verbessert wird
  • der Verdienst über Milch, Fleisch und Naturschutzleistungen ausreichend ist für eine faire Entlohnung von Fachkräften auf den Höfen
  • Mastverfahren für Bullkälber entwickelt und honoriert werden, die eine tiergerechte Haltung von Masttieren ermöglichen

Wenn ich drei Wünsche für die Zukunft auf unserem Hof frei hätte, dann wären dies

  • Mutter-/Ammengebundene Kälberaufzucht
  • Kugelschuss auf der Weide
  • Aufzucht unserer Mastkälber bis zu einem Alter von etwa 9 Monaten auf unserem Hof

Ich bin jetzt 56 Jahre alt.  Einiges haben wir in den letzten Jahren auf unserm Hof umsetzen können. Ich mag mich nicht damit abfinden, dass sich nicht noch mehr verändern könnte. Eines ist dabei aber sicher – alleine schaffen wir Bauern das nicht! Es braucht einiges an politischem Engagement, damit Politik, Verbraucher, Wissenschaft, Beratung auch ihren Teil dazu leisten.

Und hier noch ein sehr kritischer Artikel „Was unser Milchkonsum für Kühe und ihre Kälber bedeutet“ erschienen in ze.tt. Hier werden einige Aspekte genannt, die nachdenklich machen.

Autor: Kirsten Wosnitza

Milchbäuerin

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