Aua!

Eine relativ kleine Verletzung am Euter kann über die Zukunft einer Kuh entscheiden!

Man mag es kaum glauben. Kuh Sigrid hat eine frische Verletzung an einer ihrer vier Striche. Die Kerbe ist vielleicht anderthalb Zentimeter tief im Gewebe. Wenn das alles wäre, dann wäre die Sache schmerzhaft für Sigrid und anstrengend in der Versorgung für uns – aber „reparabel“. Was das ganze so schlimm macht ist, dass der Strichkanal beschädigt ist. Damit ist dieses Euterviertel in der Regel nicht mehr melkbar.

Würde man die Wunde sich selbst überlassen, dann würde sie verheilen, aber der Verschluss des Strichkanals nicht mehr funktionieren. Dann tritt – wie auf dem Foto zu sehen – die Milch von allein aus dem Euterviertel aus. Und schlimmer noch – es treten besonders beim Liegen Keime in das Euterviertel ein und wiederkehrende Euterentzündungen sind vorprogrammiert! Oft müssen solche Tiere vorzeitig zum Schlachter gehen.

Sigrid wird 6 Jahre alt und melkt in ihrer 3. Saison (Laktation). Wir möchten, dass sie noch länger bei uns bleibt. Daher haben wir unsere Tierarztpraxis gebeten, den Strich zu amputieren und zu verschließen. Dies ist nur möglich, wenn die Wunde wie in diesem Fall ganz frisch und die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass bereits Keime in das Euterviertel eingetreten sind.

Solch eine geschlossene Amputation muss sorgfältig durchgeführt werden. Die Kuh muss dazu in Narkose abgelegt werden. Sie soll keine Schmerzen spüren und die Tierärztinnen müssen in Ruhe arbeiten können. Zusätzlich werden die Beine der Kuh durch Stricke so angebunden, dass für alle Beteiligten keine Gefahr besteht geschlagen zu werden.

Das Gewebe wird zusätzlich lokal betäubt, der Strich amputiert, ein Antibiotikum in das Viertel eingebracht, die Wunde mehrfach genäht und geklammert. Dann bekommt die Kuh noch über einige Tage ein Antibiotikum, Schmerzmittel und Entzündungshemmer gespritzt und wird mit Fliegenschutz behandelt.

Sigrid hat die ersten 11 Tage ohne Infektion überstanden. Die ganze Aktion fand an einem Samstag in der Mittagshitze statt, denn es dürfte keine Zeit verloren werden. Das war für das Tier, aber auch für die Tierärztinnen sehr anstrengend. Wir haben den Eingriff auf der Weide gemacht, weil dort die Keimbelastung geringer ist als im Stall.

Eine Woche zuvor hatte sich schon eine trockenstehende Kuh verletzt. Sie ist im hohen Tempo durch den Stall gerannt und dabei hingefallen. Dieser Strich wurde vom Tierarzt offen amputiert. Die Meinungen gehen auseinander, welche Methode die erfolgversprechendere ist. Wir werden den Vergleich haben, wenn die in einigen Wochen gekalbt hat und anfängt wieder Milch zu geben.

Autor: Kirsten Wosnitza

Milchbäuerin

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