Wertschätzung, die bleibt

Ein Gastkommentar von Josefine Möller, Agrarökologin und Sprecherin der Grünen im Kreis Steinburg, der mich sehr berührt hat.

Leidenschaft für Landwirtschaft hatte ich schon immer. Die Kombination von draußen sein, Tieren, Boden, Gras, Grobmotorik, breiter Fachkenntnis und jede Menge Natur. Nun komme ich nicht vom Betrieb. Mit 19 – kurz vor dem Studium – musste plötzlich Praxis her. Der erste Tag war prägend 14h in Stiefeln. Zwischen dem Melken kämpfte ich mit Rundballen und demütig im Tretmist einer Bullenbox. Ich würde sagen jeder Tag der 18 Monate, die ich insgesamt auf verschiedenen Betrieben mitgearbeitet hatte, war prägend. Besonders die Landwirt*innen haben mich fasziniert. Mit ihrem Wissen, Ihrer Beobachtungsgabe, die hohe Verantwortung, die sie tragen, die Ausdauer und die Mentalität, die jemand mal mit „Keine Angst vor der Arbeit“ beschrieben hat. Das führt dazu, dass ich heute eine Achtung vor praktischen Landwirten empfinde, wie man früher zu Menschen mit Doktor-Titel aufgeschaut hat. Auch 10 Jahre später triggert mich das Geräusch einer anspringenden Vakuumpumpe, der Geruch von Silo und die Sehnsucht danach mit Latzhose und Gummistiefeln furchtlos durch den Mist zu steigen.

10 Jahre später weiß ich die Reinheit dieser (vielleicht Eurer oder Ihrer) Arbeit umso mehr zu schätzen. Denn wirklich schmutzig sind eigentlich nur jene Kommentare, die anonym und unüberlegt in den sozialen Medien dahingeschmettert werden. Nicht nur über Bauern. Auch über Umweltschützer, Veganer und Politiker. Alle Gruppen sind gleichermaßen betroffen. Ja, einige NGOs führen zum Teil verkürzte Kampagnen. Gleichzeitig gibt es auch Gruppen mit hoher Zustimmung in der Landwirtschaft, die ehrgeizigst bemüht sind kein gutes Haar an Umweltschützern und Verbraucher*innen zu lassen. Empörungswellen bringen Likes. Der Knackpunkt ist: Zu oft laufen die Empörungswellen gegeneinander – obwohl die gemeinsamen Interessen zwischen den Gruppen größer nicht sein könnten.

In der Umweltszene gibt es ein Interesse für Landwirtschaft, eine Sorge um das Höfesterben, eine Zahlungsbereitschaft, einen Wunsch nach Fairness gegenüber Mensch und Tier. Genau wie es in der Landwirtschaft Fragen nach Umwelt-, Tier- und Klimaschutz sowie nach Fairness gibt. All das löst in den Sozialen Medien keine Empörungswellen aus und damit kein Echo. Ich habe mich sowohl mit der Lebensrealität der Landwirtschaft als auch mit dem wissenschaftlichen Hintergrund zum Klimawandel auseinandergesetzt. Beides liegt mir am Herzen. Ja, wir haben kein Auto, genießen Fleisch in kleineren Mengen. Selbstverständlich nehme ich jede Demo für den Klimaschutz mit. Schließlich sind es die landwirtschaftlichen Betriebe (weltweit), die die Auswirkungen einer ungebremsten Klimakrise als erstes zu spüren bekommen.

Es macht mich traurig, wenn mein Engagement für die Umwelt als Engagement gegen die Landwirtschaft missverstanden wird. Es macht mich traurig, dass sich mein Einkaufsverhalten nicht für alle Betriebe im Erzeugerpreis niederschlägt. Und ich wünsche mir von Herzen mehr Perspektiven, Mut und eine positive Stimmung in der Landwirtschaft. Ich wünsche mir, dass mein Engagement für den Klimaschutz auch als Engagement FÜR die Landwirtschaft wahrgenommen wird. Ich bin überzeugt, dass es viele Klimaschützer*innen mit einem Herz für die Landwirtschaft gibt. Viele Höfe und Betriebe leben heute schon davon (oft Bio und Direktvermarktung). Natürlich brauchen wir mehr: Sowohl umweltbewusste Landwirt*innen, als auch landwirtschaftsbewusste Umweltschützer*innen.

Wenn ich mir die Beziehung von Landwirt*innen und Umweltschützern/Verbrauchern mal bodenständig betrachte (das habe ich von den Landwirt*innen gelernt!) und mal die realen Begegnungen als Maßstab nehme, dann ist das Resultat in den meisten Fällen besser als es die Online- Kommentarspalten vermuten lassen: Auf beiden Seiten überwiegt die Offenheit und eine Wertschätzung, die bleibt.

Autor: Kirsten Wosnitza

Milchbäuerin

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