Wachsen UND Weichen

Wer einen Hof übernimmt, der teilt die Hoffnung, dass die Aussichten gut sind für die Landwirtschaft und dass er oder sie aufgrund von Ausbildung und Leistungswillen in der Lage sein wird, sich auch in schwierigen Zeiten zu behaupten.

Auch wir haben uns vor 12 Jahren entschlossen einen neuen Stall zu bauen. Dort sollte es den Kühen besser gehen als in den alten Gebäuden und wir wollten es mit der Arbeit etwas leichter haben.

Um den Stall (dazu gehören Lagerstätten für Silage und Gülle) finanzieren zu können, mussten wir von 70 auf 120 Kühe aufstocken, unseren Bestand an Jungvieh und Mastbullen haben wir herunter gefahren bzw abgeschafft. Um alle Tiere satt zu bekommen, haben wir Land dazu gepachtet.

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Viele Kollegen, die heute noch am Start sind, haben so gehandelt. Die Aussichten am Milchmarkt waren gut – weltweit gesehen. Milchindustrie, Wissenschaft, Politik und Beratung wurden nicht müde, die Zukunft der Milchviehhaltung in rosigsten Farben zu malen.

Wir Bauern haben das gerne geglaubt. Denn sehr sehr viele Milchbauern sind mit großer Leidenschaft mit ihren Betrieben verbunden. Über Generationen. Da verschließt man schon gerne mal die Augen vor den Fakten.

Bis zu dem Tag, an dem die finanzielle Situation dies nicht mehr zulässt.

Es stimmt, die weltweite Nachfrage nach Milch nimmt immer noch zu – aber zu welchem Preis? Wie naiv könnten wir sein anzunehmen, dass Schwellenländer bereit oder vielmehr in der Lage sein würden, uns den Milchpreis zu zahlen, den wir zur Deckung der Kosten nachhaltig benötigen würden?

Auf unserem Hof haben wir Glück gehabt. Die Lage des Betriebes erlaubt es, die Kühe auf der Weide zu halten. Zur Finanzierung der Investitionen können wir unsere Solaranlage (90 KW), den Anteil an der Biogasanlage im Dorf und unseren Bürgeranteil am Windpark unseres Dorfes nutzen. Wir leisten unsere Zahlungen an unsere Altenteiler und müssen den größten Teil unserer Flächen pachten. Wir haben im Vergleich zu vielen Kollegen aber keine Rücklagen für die Ausbildung von Kindern zu leisten oder den Betrieb für die nächste Generation aufzustellen.

Auf vielen tierhaltenden Betrieben, die keine Nebeneinnahmen haben, ist die wirtschaftliche Situation also schwierig. Es liegt nun an der deutschen und europäischen Agrar und Wirtschaftspolitik, ob wir weiterhin einen stark fortschreitenden Strukturwandel erleben werden, oder ob wir vielfältige Landwirtschaft in der Fläche entwickeln.

Unmöglich ist es nicht!

Autor: Kirsten Wosnitza

Milchbäuerin

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